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ADHS im Erwachsenenalter

Symptome, Differenzialdiagnose, Therapie

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ADHS im Erwachsenenalter
Johanna Krause, Klaus-Henning Krause
Verlag
Schattauer, 4. Auflage 2013
ISBN-Nummer
978-3-794-52782-3
Preis
45,00 €
Kaufen bei Diana Künne, Pädagogischer Verlag und Buchhandlung

Rezension der 1. Auflage

Nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass aus Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (kurz: ADHS) Erwachsene mit ADHS werden. Obwohl die Betroffenen zum Teil erheblich in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sind, haben sich bislang nur verschwindend wenige Ärzte und Therapeuten mit dieser Störung auseinandergesetzt.

Das Ehepaar Krause hat mit »ADHS im Erwachsenenalter« einen detaillierten Leitfaden verfaßt, der für Ärzte und Therapeuten, die Patienten mit störungstypischen Symptomen diagnostizieren und behandeln, unbedingt zur Pflichtlektüre werden sollte. Die neurobiologischen Grundlagen werden ebenso präzise beschrieben wie die Symptomatik und die Diagnostik der Störung. Die Autoren gehen auf die differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten ein und beschreiben bekannte sowie weniger bekannte Komorbiditäten, die eine korrekte Diagnose erschweren.

Der besondere Wert des Fachbuchs liegt auch darin, dass die Autoren neben ihrem umfangreichen Expertenwissen aus wissenschaftlicher und praktischer Tätigkeit die langjährigen persönlichen Erfahrungen mit und von betroffenen Menschen im BV-AH e. V. sowie in der Familie haben einfließen lassen. Interessierte oder selbst betroffene Laien erhalten in diesem Buch umfassende Antworten auf ihre Fragen nach Ursache, Diagnose und Therapie der ADHS und werden sich in Fallbeschreibungen wiederfinden.

 

Rezension der 3. Auflage

Das Buch richtet sich an Fachleute, wie Ärzte und Psychologen, die sich intensiv mit der Diagnostik, der Symptomatik und der Therapie der ADHS auseinander setzen möchten. Es gibt meines Erachtens kein im Umfang, der Aktualität und der Übersichtlichkeit vergleichbares Buch, das das gesammelte Wissen über die ADHS im Erwachsenenalter darstellt und sachlich, prägnant und gut strukturiert das sehr umfangreiche Krankheitsbild aufarbeitet. Sehr hilfreich sind dabei die umfassenden Quellenangaben und die Darstellung der aktuellen Studienlage, sowie deren Bewertungen.

Sehr anschaulich werden am Anfang neurophysiologische und neurobiologische Erklärungsmodelle der ADHS dargestellt, ebenso wie die neusten Ergebnisse der Genetik.

Hilfreich für Kollegen, die sich erstmals mit der ADHS befassen, sind die Vorschläge für ein diagnostisches Interview. Im Anhang finden sich auch Vorschläge für ein semistrukturiertes Interview, sowie die gängigen ADHS Tests.

Neu ist das Kapitel über Autismus, der erst in der letzten Zeit in der Fachpresse als Komorbidität bzw. als Überschneidung zweier Spektrumerkrankungen publiziert wird. Wichtig auch die neusten Studien über ADHS und Suchterkrankungen.

Hilfreich für die Behandlung der ADHS ist die umfangreiche Auflistung der medikamentösen Behandlungsoptionen auch unter Berücksichtigung der Komorbiditäten und die Zusammenstellung sinnvoller Medikamentenkombinationen. In der psychotherapeutischen Behandlung der ADHS wird nicht nur auf die klassische Verhaltenstherapie verwiesen, sondern auch tiefenpsychologische und analytische Therapieansätze aufgezeigt.

Ausführliche Fallbeispiele erläutern die Problematik der Betroffenen und veranschaulichen die Auswirkungen im aktuellen Leben der Patienten. Manchmal sind die Fallbeispiele vielleicht etwas zu langatmig und ausführlich.

Zusammenfassend ist dieses Buch ein Standardwerk und für jeden unentbehrlich, der sich ernsthaft mit der Diagnostik, Neurophysiologie und Behandlung der ADHS auf dem Boden der aktuellen Forschungsergebnisse auseinandersetzen will. Für Betroffene ohne medizinische und naturwissenschaftliche Kenntnisse, ist das Buch allerdings auf Grund seiner fachärztlichen Ausrichtung bedingt geeignet.

Dr. Neuy-Bartmann
neue AKZENTE 83/2009

 

Rezension der 4. Auflage

Die Geschichte vom Zappelphilipp für Erwachsene

Als der Arzt Heinrich Hoffmann seinem dreijährigen Sohn zu Weihnachten ein Heft mit 14 einseitig beschriebenen und aquarellierten Zeichnungen schenkte, ahnte er sicher nicht, dass ihn die gedruckte Ausgabe von 1845 weltberühmt machen würde. Die zweite Auflage enthielt auch die Geschichte vom Zappelphilipp und wurde unter dem Titel „Struwwelpeter“ publiziert. Sein Autorenpseudonym „Reimerich Kinderlieb“ legte er allerdings erst ein Jahr später ab.

Was Heinrich Hoffmann aufgrund von Beobachtungen in seiner Familie beschrieb, trägt heute den Namen ADHS. Aber was in Deutschland bis Ende der 1990er Jahre ausschließlich als Verhaltensstörung von Kindern und Jugendlichen galt, findet sich eben auch bei Erwachsenen. Dass bis zu sechs Prozent davon betroffen sind, drang nicht zuletzt durch einen Artikel im Magazin „Time“ ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Denn der Autor mutmaßte, dass auch Benjamin Franklin, Winston Churchill, Albert Einstein und Bill Clinton zu den Erwachsenen mit ADHS gehören. Die Erwähnung solch prominenter Namen sorgte nicht nur für Aufmerksamkeit, sondern trug wesentlich zu Korrektur des Krankheitsbildes bei.

Es ist nicht nur Ignoranz, wenn jemand ADHS noch immer für eine Erfindung der Psychiater und Psychologen hält. Zu dummen Sprüchen gegenüber Betroffenen tragen die Medien ebenso bei wie die Diskussionen über die oft fahrlässige Abgabe von Ritalin oder ähnlichen Medikamenten. Es ist daher nur logisch, dass die Autoren dieses Standardwerks ausführlich auf die medikamentöse Behandlung der ADHS eingehen.

Eine vierte Auflage drängte sich nicht nur wegen der großen Resonanz auf. Da die offizielle Zulassung einer Stimulanzien Behandlung bei Erwachsenen mit ADHS endlich erfolgte, erhält ein wissenschaftliches Werk wie dieses automatisch mehr Gewicht. Zudem wurde erstmals ein spezielles Kapitel über Frauen mit ADHS aufgenommen. Und in der neusten Auflage gehen die Autoren auch auf das Messie-Syndrom, die Computerspielsucht und gutachtliche Fragen ein. Und natürlich werden dem Leser alle neuen Erkenntnisse präsentiert, was sich auch im überarbeiteten und über 70 Seiten umfassenden Literaturverzeichnis zeigt.

Was dieses Buch besonders auszeichnet, ist die gelungene Gratwanderung zwischen Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Verständlichkeit. Gerade weil die beiden Autoren zu den führenden Köpfen auf dem Gebiet der Forschung und Behandlung von ADHS bei Erwachsenen gehören, halten sie sich mit Spekulationen und populär-wissenschaftlichen Verkürzungen zurück. Man darf sich als Leser also nicht daran stören, wenn nicht alle Fragen beantwortet werden. Wo die empirische Datenlage keine gesicherten Aussagen zulässt, werden auch keine gemacht. Und so muss er damit leben können, dass über das Sexualleben, die Kriminalitätsrate oder Prognostizierbarkeit von Lebensläufen nur das geschrieben steht, was einer empirischen Überprüfbarkeit standhält.

Mein Fazit: Von all den Büchern, die ich über ADHS bei Erwachsenen gelesen habe, hat mir das von Johanna und Klaus-Henning Krause mit Abstand am meisten gebracht. Die beiden Autoren gehören nicht nur zu den Pionieren auf diesem Gebiet, sondern verstehen es auch ausgezeichnet, ihren immensen Wissensschatz anschaulich zu vermitteln. Obwohl sich dieses Referenzwerk mit vielen Fallbeispielen in erster Linie an Fachleute richtet, bietet es auch Betroffenen ohne medizinische Fachkenntnisse viele wertvolle Informationen. Sich nur im Internet schlau zu machen, reicht eben oft nicht aus.

Dr. Werner T. Fuchs
neue AKZENTE 97/2014