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ADHS im Erwachsenenalter

von Dr. Astrid Neuy-Bartmann

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) im Erwachsenenalter, ein Krankheitsbild, bisher bei uns kaum bekannt und im Allgemeinen unterschätzt, hat eine ganz erhebliche Bedeutung. Schätzungsweise sind etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland betroffen, ohne die geringste Ahnung davon zu haben. Das Tragische dabei ist, dass die Krankheit relativ gut und mit großen Erfolgen behandelt werden kann, wenn sie erkannt wird.
Es ist nur wenig bekannt, dass Chaos, ständige Stimmungsschwankungen, Jähzorn, Impulsivität, Beziehungsunfähigkeit und auch Suchterkrankungen die Symptome einer ADHS sein können und diese sich wie ein roter Faden durch das gesamte Leben ziehen. Unerkannt gleicht die ADHS einem Phantom, das in alle Lebensbereiche hineinspukt, beträchtlichen Schaden hinterlassen und Beziehungen zerstören kann.
So entwickelt sich nicht selten eine Chronologie des Scheiterns.

Es gibt zur Zeit kein Störungsbild in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, das so kontrovers diskutiert wird, wie die ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung). Früher sprach man von »hyperaktiv« oder »hyperkinetisch«. Während sich die Fachärzte weitgehend darüber einig sind, dass es sich hier um eine Neurotransmitterstörung des Dopaminrezeptors handelt und das Krankheitsbild zu einem hohen Prozentsatz genetisch bedingt ist (bis zu 81%), wird dies insbesondere von pädagogischer und psychologischer Seite häufig noch in Frage gestellt und als Modediagnose verteufelt. Immer wieder wird der Vorwurf der Psychiatrisierung von Kindern erhoben und dass lebhafte Kinder durch Medikamente ruhig gestellt werden sollen. Dies führt zu einer polemisierenden Diskussion, die oft adäquate Behandlung verhindert, was für die Betroffenen nicht selten mit erheblichem Leid verbunden ist und mit dem Rätsel, warum sie immer wieder scheitern.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine ADHS sehr häufig auftritt. Im Kindesalter stellt sie die häufigste seelische Störung dar, und man geht davon aus, dass 5 - 7% der Kinder betroffen sind.

Die bisherige Lehrmeinung, dass sich diese Störung im Erwachsenenalter auswächst, wird seit einigen Jahren widerlegt - insbesondere durch amerikanische Studien. Deutlich wird, dass 30 - 50% der von einer ADHS betroffenen Kinder auch später im Erwachsenenalter deutliche Symptome zeigen, die sie in ihrer Lebensgestaltung erheblich beinträchtigen. Allerdings erfolgt meist ein Symptomshift, d.h., dass sich die ursprünglichen Symptome der ADHS im Kindesalter verändern.

Im Erwachsenenalter zeigt sich dann nicht selten ein komplexes Krankheitsbild, das durchaus das gesamte Spektrum der Psychiatrie erfassen kann.

Wender-Utah-Kriterien

Angelehnt an die Diagnostik der Kinder wurden von Wender die »Wender-Utah-Kriterien%laquo; aufgestellt und von der WHO authorisiert.

Aufmerksamkeitsstörung

Die Betroffenen können den Scheinwerfer ihrer Aufmerksamkeit nicht lange auf etwas richten. Der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit ist bildlich gesprochen auf einem wackeligen Kugelgelenk montiert, und bei der kleinsten Ablenkung bewegt sich dieser Scheinwerfer in Richtung des neuen Reizes. Das führt zu einer enormen Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, Sprunghaftigkeit und Zerstreutheit, die bei Kindern zu erheblichen Schulproblemen und bei Erwachsenen zu Arbeitsstörungen führen können. Sie vergessen sehr viel, machen Flüchtigkeitsfehler, sind vertrödelt, und die meisten Betroffenen bleiben so trotz guter Intelligenz weit unter ihren Möglichkeiten. Es werden deutlich schlechtere Schulabschlüsse erzielt, als dies mit ihrer Intelligenz möglich gewesen wäre. Manchmal wird nicht einmal ein Schulabschluss erreicht, was die Lebenskarriere maßgeblich beeinträchtigt. Es fällt den Betroffenen weiterhin schwer gezielt Wissen abzurufen, und so bringen sie inkonstante Leistungen. Erstaunlich ist aber, dass sich ADHS-ler ganz hervorragend auf etwas konzentrieren können, das sie sehr interessiert. Hier können sie Höchstleistungen erbringen, und man fragt sich oft, wieso manche Dinge so brillant bewältigt werden, einfache, uninteressante Dinge jedoch nicht. Hier schwanken sie nicht selten zwischen Null-Bock-Haltung und work-aholic.

Motorische Hyperaktivität

Während die Kinder besonders bei ADHS noch die klassischen Zappelphilippe sind, nicht stillsitzen, wild sind und sich nicht an Regeln halten können, zeigt sich die Symptomatik bei Erwachsenen diskreter. Sie haben gelernt sich besser zu beherrschen, aber sie behalten ihre innere Unruhe; ihr Getriebensein, das Gefühl wie unter Strom zu stehen und nicht abschalten zu können. Man bemerkt es nur noch an dem Wippen der Füße, den Fingern, die ständig in Bewegung sind und an irgend etwas herumspielen und dass man selbst etwas unruhig neben ihnen wird. Sie können nicht warten, müssen oft herumlaufen, weil sie sitzen und Ruhe nicht aushalten.

Verträumt, abwesend

Es gibt noch eine Sonderform, die wenig bekannt, aber trotzdem bedeutend ist. Besonders bei Mädchen zeigt sich diese Form der ADHS, nämlich die des unaufmerksamen Typs. Die Betroffenen wirken verträumt, abwesend, uninteressiert. Sie bekommen häufig etwas nicht mit, sind eher unauffällig, neigen dazu sich schnell zurückzuziehen und zu resignieren. Sie haben im späteren Lebensalter ein hohes Risiko für Depression und Ängste.

Affektlabilität, Impulsivität

Hiermit ist gemeint, dass die Betroffenen ständig eine emotionale Achterbahn fahren von »himmelhochjauchzend« bis »zu Tode betrübt«. Sie leben quasi dauernd im Extremen. Auf kleinste äußere Begebenheiten reagieren sie emotional heftig, häufig auch überzogen. Da geht gerade die Welt unter, weil eine relativ harmlose Bemerkung eines Mitmenschen eine tiefe Kränkung verursacht, dann funktioniert der MP3-Player nicht, weil man vergessen hat die Batterien aufzuladen und schon fliegt er gegen die Wand. Wenn dann aber eine liebe Freundin anruft, ist die Welt wieder in Ordnung. Diese extrem schnellen Stimmungswechsel machen den Betroffenen, aber auch ihren Mitmenschen sehr zu schaffen.

Die Impulsivität ist ein weiteres Problem. ADHS-ler handeln blitzschnell aus dem Bauch heraus, überschießend. »Erst gemacht, dann gedacht …«. Es tut ihnen oft hinterher leid, dass sie wieder so extrem reagiert haben, aber sie bekommen in diesem Augenblick nicht ihre so heftigen Gefühle unter Kontrolle. Es sind die alten »HB-Männchen«, die »Hitzeblitze«, aber auch die Menschen mit den zwei Gesichtern, von denen man alles haben kann, wenn sie gut gelaunt sind, die aber völlig ausrasten, wenn sie unter Stress kommen und gnadenlos ihre Gefühle in die Welt schleudern, wenn ihnen danach ist. Ich nenne sie »Mimosen mit Holzkeulen bewaffnet«. Sie sind für sich selbst hyperempfindlich, aber überhaupt nicht zimperlich damit, sofort zuzuschlagen, wenn sie sich angegriffen fühlen. Es ist ein extremes Gefühlsleben, nicht selten im Ausnahmezustand. »Schwarz – Weiß« und es gibt nichts dazwischen. Die Mitte wird so nur selten gefunden und Frustrationen und Niederlagen werden schwer ausgehalten. Sie fangen schnell begeistert etwas an und bei der kleinsten Schwierigkeit verlieren sie die Lust. Dies führt oft dazu, dass sie immer wieder neue Jobs anfangen oder auch in Beziehungen schnell aufgeben, wenn es schwierig wird.

Chaos, Desorganisation

Sie können schwer Ordnung halten, weil sie keine innere Struktur haben. Alles erscheint gleich wichtig und so können sie nichts wegwerfen, was durchaus auch bis zu einem Messie-Dasein führen kann. Das Chaos um sie herum gleicht ihrem inneren Chaos, sie finden wichtige Sachen in ihren Unordnungshaufen nicht, und sie haben keinen Überblick in ihrem Leben. Bei Frauen sind es die »Chaosprinzessinnen«, bei Männern die »zerstreuten Professoren«, denen man einfach alles hinterher tragen muss.

Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, in der Schule und mit Mitmenschen

Bei all den oben aufgeführten Problemen ist es verständlich, dass es hier zu erheblichen Problemen kommt. Oft fühlen sich die Betroffenen gemobbt, weil sie mit ihrer Impulsivität und Stimmungsschwankungen anecken und die inkonstanten Leistungen führen zu erheblichen Problemen am Arbeitsplatz. Nicht selten erkranken auch die Partner und Angehörigen an Depressionen und psychosomatischen Erkrankungen, denn es ist sehr belastend, mit den täglichen Stimmungsschwankungen und dem Chaos umzugehen.
Es zeigt sich eine Vervierfachung der Scheidungsrate, wenn ein Familienmitglied von ADHS betroffen ist. Erschwert wird dies noch durch die hohe Erblichkeit, so dass oft noch ein Elternteil, ggf. auch beide Eltern, zusätzlich betroffen sind, was die Probleme potenziert. In solchen ADHS-Chaos-Familien kann es in Stresssituationen auch zu körperlichen Auseinandersetzungen kommen. Alleinerziehende gelangen sehr schnell an ihre Belastungsgrenze.

Schnelle Erschöpfbarkeit und Lustlosigkeit

Das Durchhaltevermögen und die Selbstmotivation sind stark eingeschränkt, was zu schneller Resignation und Mutlosigkeit führt. ADHS-ler besitzen einen riesigen »inneren Schweinehund«, den sie nur sehr schwer für Aufgaben überwinden können, die sie nicht interessieren.

Daraus resultieren erhebliche Selbstzweifel und ein mangelndes Selbstbewusstsein. In den meisten Biographien der betroffenen Patienten zeigen sich eine Ansammlung von traumatischen Erfahrungen. Oft sind schon die Familien sehr problematisch und die Kinder haben früh die Erfahrung gemacht, dass sie nicht lernen konnten, vergesslich waren und in der Schule schlechten Noten hatten. Waren sie auch noch hyperaktiv, haben sie meist Ablehnung von anderen erfahren und sind in eine Außenseiterposition geraten. Die bisherige Lebenserfahrung in der Kindheit war dann: »Ich bin dumm und werde abgelehnt«. Das ist keine gute Voraussetzung für die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls.

Weiterhin gibt es zahlreiche Komorbiditäten oder assoziierte Erkrankungen (Begleiterkrankungen), die die Symptomatik abermals verschärfen. Dazu gehören

  • Leserechtschreibstörung
  • Rechenschwäche bis zum 30%
  • Ticsyndrom (Tourette) 10-20%
  • Zwänge
  • hohe Unfallrate (durch unüberlegtes Handeln)
  • Störung des Sozialverhaltens und oppositionelle Verhaltensweisen
  • Schlafstörungen
  • Suchtentwicklung

Hinzu kommt dann im Erwachsenenalter der Symptomshift.

30% der Erwachsenen ADHS-ler leiden unter Ängsten und Depressionen.

Es besteht ein hohes Risiko für eine spätere Suchtentwicklung. Die Zahlen variieren. Bis zu 50% der Alkoholiker haben deutliche Hinweise auf eine schon in der Kindheit bestehende ADHS (vgl. Heßlinger, Freiburg; Huss, Berlin). Es zeigt sich oft ein erheblicher Nikotinmissbrauch, da wahrscheinlich exzessiver Nikotinmissbrauch eine Art Selbstmedikation darstellt (wie andere Süchte auch), weil Nikotin auch am Dopamintransporter angreift und so das ursächliche Dopamindefizit korrigiert wird. Weiterhin zeigen sich vermehrt alle Formen der Sucht: Esssucht, Kaufsucht, Kleptomanie, Spielsucht usw..

Oft sind die Betroffenen sehr verschuldet, weil sie keinen Überblick über ihre Finanzen haben und sich keinen Plan machen können.

Auch neigen sie dazu, riskant Auto zu fahren oder riskante Sportarten zu betreiben, sie suchen immer nach dem ultimativen Kick und nach Abwechslung. Sie bleiben auch als Erwachsene unfallgefährdet; es sind die Menschen, die mit 200 km/h auf die Stoßstange des Vordermanns auffahren, weil dieser nicht rechtzeitig Platz macht.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Probleme in den folgenden Bereichen zeigen:

  • Selbstorganisation
  • Zeitmanagement
  • Finanzmanagement
  • Beziehungsgestaltung
  • Arbeitsorganisation
  • Teamfähigkeit
  • Kindererziehung
  • Straßenverkehr

Ich möchte nicht versäumen darauf hinzuweisen, dass ADHS auch viele positive Aspekte hat. Die Betroffenen sind originelle, kreative Menschen, oft die unbequemen mutigen Vordenker, weil sie sich nicht an Regeln halten und alles in Frage stellen können. Es gibt viele erfolgreiche Menschen mit ADHS ohne Krankheitswert, als Normvariante im Sinne einer »bestimmten Art zu sein«. Wenn diese Menschen für sich die richtige berufliche Nische gefunden haben, sind sie häufig genial und unschlagbar in ihrem sprühenden Eifer und ihrem unermüdlichem Aktionismus. In den Medien oder als Computerfachleute finden wir sie häufig als high-functioning ADHS-ler, sehr geschätzt, aber anstrengend für ihre Mitmenschen.

ADHS ist immer wieder ein Phänomen, das sich zwischen Genie und Wahnsinn bewegt, übergangslos vom hochbegabten »zerstreuten Professor« oder dem eloquenten Entertainer bis hin zu einem schwer gestörten chaotischen und gescheiterten Menschen, der an seinen vielen Misserfolgen zerbricht. Behandlungsbedürftig wird die ADHS immer erst, wenn es zu erheblichen Schwierigkeiten im Arbeits- oder Beziehungsbereich kommt oder eben bei Depressionen und Suchtentwicklung. Deswegen ist es notwendig, ganz besondere Therapieprogramme anzubieten, eventuell auch eine Stimulanzientherapie, die sich seit 60 Jahren bei den ADHS-Kindern bewährt hat. Hier zeigen sich ebenfalls neue Ansätze bei der Suchttherapie.

Die Diagnose und die Kenntnisse über ADHS sind wichtig, weil herkömmliche Therapien, besonders psychoanalytische und aufdeckende Therapien bei ADHS nicht wirkungsvoll sind. Häufig handelt es sich bei den Patienten auch um so genannte Therapieversager, denn sie haben schon eine Odyssee von Behandlungen hinter sich. Weder Antidepressiva, noch Neuroleptika haben ihnen wirklich gegen Depressionen, quälende Unruhe, Chaos und Konzentrationsstörungen helfen können. Vielleicht haben sie das Krankheitsbild sogar verschlimmert, weil der Patient noch ein paar Baustellen mehr hat, aber immer noch keinen Überblick und keine Struktur im Leben. Notwendig ist ein Therapiekonzept, das auf die Problematik und die besonderen Probleme der ADHS abgestimmt ist.

Hierzu gibt es verhaltenstherapeutische Programme, z. B. von PD. Bernd Heßlinger (Universitätsklinik Freiburg). Im Vordergrund steht hier die Problematik der Selbstorganisation und der Selbstkontrolle. Es geht um die Vermittlung von konkreten Gebrauchsanweisungen und Problemlösestrategien, sowie den Umgang mit den spezifischen Problemen. Oft ist es für die Patienten schon ungemein entlastend, dass dieses Phantom einen Namen hat, nämlich ADHS. ADHS-Patienten können so die Erfahrung machen, dass sie nicht alleine betroffen sind. Das ADHS-Modul von Freiburg bietet auch den großen Vorteil, dass es nicht in Einzeltherapie vermittelt wird, sondern in einer Gruppe mit anderen von ADHS Betroffenen. Der Erfahrungsaustausch entlastet die Patienten, die ja viele schmerzhafte Erfahrungen damit gemacht haben, dass sie anders sind und abgelehnt wurden.

Es hilft auch ungemein sich mit seiner Vergangenheit zu versöhnen: »Ich hatte es schwer mit ADHS und meine Eltern auch ...« Und so werden manche heftigen Entgleisungen von allen Beteiligten im Nachhinein versteh- und verzeihbarer.

Eine wichtige Therapiesäule ist auch die Stimulanzientherapie, bzw. das neue Mittel Atomoxetin (Strattera®). Die Medikamente wirken gezielt auf eine Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit, auf eine Verminderung der Stimmungsschwankungen und Depressionen und bewirken eine deutliche Reduktion der Impulsivität. Leider gibt es zur Zeit erhebliche Probleme bei der Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Es ist ein Skandal, dass die Wirksamkeit von Stimulantien für Kinder bewiesen ist und dass Kinder sich bei korrekter Einstellung wesentlich besser entwickeln. Gerade dann, wenn sie am Ende der Schule vor der Abschlussprüfung stehen, können dann die Medikamente zu Beginn der Volljährigkeit nicht weiter verordnet werden. Zahlreiche Medien haben sich schon mit dieser Ungereimtheiten beschäftigt (u.a. Frontal, ZDF). Es werden so wirksame Medikamente Erwachsenen vorenthalten, und es ist eine absurde Argumentation, dass eine Medikation bis 17 Jahre und 364 Tage verordnet werden darf, jedoch nicht eínen Tag länger wegen eines angeblichen nicht erwiesenen Wirkungsnachweises.

Im Erwachsenenalter zeigen sich Krankheiten der Erwachsenenpsychiatrie, die ohne Kenntnisse der ADHS sich nicht einfach erschließen lassen und oft fehlbehandelt werden. Es genügt nicht, nur die Sucht oder die Depression zu behandeln, weil damit eben nicht das gesamte Spektrum der ADHS erfasst werden kann, sondern nur die Spitze des Eisberges, der aus dem Wasser ragt. Unter der Wasseroberfläche aber zeigt sich die ADHS als Phantom, das unbedingt bei der Therapieplanung mit berücksichtigt werden sollte. Häufige Fehldiagnosen sind Borderlinestörungen oder manisch-depressive Erkrankungen.

Es handelt sich bei ADHS immer um eine Störung, die schon in der Kindheit vorhanden war. Man muss dies genau erfragen. Es gibt keine erworbene ADHS. Natürlich zeigt jeder Mensch Symptome einer ADHS, aber es geht darum, dass man dieses komplexe Syndrom zu großen Teilen und auch im ganzen Verlauf des Lebens erfüllt und es dadurch zu erheblichen Beeinträchtigungen kommt. Wichtig erscheint noch, dass Mütter bzw. Eltern keine Schuld haben und es sich nicht um einen Erziehungsfehler handelt. Oft haben Eltern allerdings auch eine ADHS, und so fällt es ihnen besonders schwer den Kindern Struktur zu geben, klar und konsequent zu erziehen.

ADHS kann allerdings durch günstige Faktoren beeinflusst werden. Hierzu zählen engagierte Eltern, die sich intensiv mit dem Krankheitsbild auseinandersetzen, Stabilität geben können, berechenbar und geduldig sind und Ressourcen haben, um das Kind zu unterstützen.
Ungünstige soziale Faktoren sind schwieriges Milieu, überforderte, impulsive Eltern, Arbeitslosigkeit und Sucht in der Familie. Unter derartigen Bedingungen kann es auch zu kriminellen Entwicklungen kommen.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit diesem in seiner Dimension völlig unterschätzten Krankheitsbild beschäftigen würden. Für die Patienten ist es von ungeheurer Bedeutung, wenn sie sich selbst informieren und zeitgemäße Behandlungen in Anspruch nehmen können.


ADHS ist ein gut zu behandelndes Krankheitsbild, wobei selbst Fachärzte bisher nur wenig Kenntnisse darüber haben. Viele Fehlbehandlungen, viele Misserfolge, aber auch viele Kosten könnten mit dem Wissen darüber vermieden werden.