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Zauberwürfel mit rotem Hintergrund

ADHS und Depression, Zwang, Somatisierungsstörungen

von Dr. Astrid Neuy-Lobkowicz

ADHS und Depressionen, sowie weitere seelische Erkrankungen treten bei AD(H)S gehäuft auf. Dies lässt sich zum einen mit der schwierigen Biographie und mit den erlittenen Kränkungen und Verletzungen begründen und mit dem oft sehr schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl, zum anderen scheint es aber auch genetische Faktoren zu geben, die bisher noch nicht ausreichend beforscht sind. In jedem Falle hat eine Depression multifaktorielle Ursachen. Man kann das so erklären: Depression entstehen durch eine besondere Verletzlichkeit, die zum einen durch erbliche Veranlagung, durch Kindheitsbelastungen aber auch durch Stress, Überlastung und chronische Konflikte entstehen können. Häufig müssen die Begleiterkrankungen z. B. Depressionen oder Angstzustände gesondert behandelt werden, bzw. bedarf es z. T. einer medikamentösen Behandlung des ADHS und der Depression.

Depressionen zeigen sich durch eine niedergeschlagene, gedrückte Stimmung, pessimistische Gedanken, Grübeln, und dem Verlust von Freude und Genussfähigkeit. Nichts scheint die Betroffenen so recht mehr zu interessieren und ihr Antrieb erlahmt. Die einfachen Alltagstätigkeiten fallen schwer und besonders morgens kommt man kaum in die Gänge. Eine lähmende, bleierne Schwere macht sich breit und die Lebensgeister scheinen zunehmend zu erlöschen. Es ist wie ein Blick durch eine dunkle Sonnenbrille durch die nun keine Farben und kein Licht mehr gesehen werden kann und durch die nur noch Grau-, Schwarz- und Brauntöne wahrgenommen werden können. Man sieht durch diese depressive Brille nur noch das Negative im Hier und Jetzt, in der Vergangenheit und Zukunft. Es ist eine Art Wahrnehmungsverzerrung, weil alles durch diesen Negativfilter eingefärbt wird.

Ein Leben so hat keinen Sinn und Wert und das eigene Selbstwertgefühl geht verloren. Gedanken kreisen um Schuldgefühle, Scham, Versagen und Krankheit und auch die Zukunft erscheint trostlos. Alles wird egal oder schwer und die Zeit scheint nicht mehr umzugehen. Der Alltag kann kaum mehr bewältigt werden und dies steigert noch mehr das eigene Versagensgefühl und die eigene vermeintliche Unfähigkeit. In diesen Phasen kann es zu Selbstmordgedanken und Selbstmordversuchen kommen. Es gibt Depressionen, in denen die Antriebsstörung überwiegt und in denen es Betroffenen schon schwer fällt morgens aufzustehen und sich anzuziehen, weil sie sich so energielos fühlen. Es gibt aber auch andere Form der Depression, die agitierte Depression. Betroffene sind dann unruhig, getrieben und gereizt. Sie müssen dauernd herumlaufen, finden keine Ruhe und können doch nichts Sinnvolles tun. Auch diese unruhige Depression ist quälend und unerträglich.

Zu Depressionen gehören meist ausgeprägte Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen bis hin zu Denkhemmungen und nicht wenige Depressive sind der Überzeugung, dass sich jetzt der Alzheimer eingestellt hat, weil sie merken, dass sie nicht mehr richtig denken können. Weiterhin können in diesen Phasen massive Ängste auftreten, Appetitstörungen (sowohl Appetitsverlust wie auch Heißhungerphasen) und Libidostörungen. Depressive sind äußerst empfindlich und sie haben überhaupt keine Schutzschicht mehr. So reicht oft ein Fernsehfilm aus, dass sie in Tränen ausbrechen und völlig von Gefühlen überwältigt sind. Ihre Außenhaut ist wie rohes Fleisch und sie fühlen sich ständig verletzt und können nichts mehr ertragen. Dies führt dann zunehmend zu einem sozialen Rückzug, der die Selbstisolation immer weiter vergrößert. Hinzu kommen oft eine Reihe körperliche Beschwerden, die oft von Ärzten nicht rechtzeitig als depressive Symptome erkannt werden. hierzu gehören: Kopfdruck, Rückenschmerzen, Beklemmungsgefühle, Herzstechen, Magenschmerzen, etc. Zunächst muss natürlich erst einmal eine organische Ursache der Beschwerden ausgeschlossen werden und dann sollte unbedingt an eine Depression gedacht und dies dann auch behandelt werden. Wichtig ist eine rechtzeitige Erkennung, denn Depressionen bedeuten für die Betroffenen ein großes Leid.

Es gibt nun die verschiedenen Formen der Depressionen, die alle bei AD(H)S gehäuft vorkommen:

  • leichte, mittelschwere und schwere Depressionen
  • manisch- depressive Erkrankung: hier wechseln sich Depression und Manie in unterschiedlicher Reihenfolge ab. Eine Manie ist genau das Gegenteil einer Depression. Haben Depressive eine schwarze Sonnenbrille so haben Maniker eine rosarote. Sie erleben sich groß, einmalig, unwiderstehlich und das kann sich bis zum Größenwahn steigern. Sie haben ständig neue Ideen, reden unterbrochen und sehen alles notorisch optimistisch. Leider grenzt dies sehr häufig an Realitätsverkennung, weil sie überhaupt keine Bedenken und Gefahren mehr sehen. So neigen sie in manischen Phasen dazu viel zu viel Geld auszugeben und sich zu verschulden und auch treue Ehepartner können in manischen Phasen wahllos Beziehungen eingehen. Man kann auch AD(H)S als die kleine Schwester der manisch-depressiven Erkrankung bezeichnen, weil sie auch diese Stimmungsschwankungen und Extreme hat. Der große Unterschied dazu ist allerdings, dass die Phasen bei AD(H)S nicht so ausgeprägt sind und die Stimmungsschwankungen zeigen sich ein ganzes Leben lang, während die manisch-depressive Erkrankung meist erst im Erwachsenenalter beginnt und in der Regel die Depression oder Manie eine längere Zeit über Wochen und Monate anhält, der AD(H)S-Betroffene hingegen täglich die Achterbahn seiner Gefühle fährt.
  • Es gibt Depressionen, die nur einmal im Leben auftreten, oder aber schubförmig und dann noch chronisch verlaufende Formen. Viele Depressionen werden durch äußere Ereignisse ausgelöst z. B. durch Verlust, Kränkung oder Beziehungsstress. Es gibt jedoch auch Depressionen, die ohne äußere Auslöser entstehen können.
  • Es gibt Depressionen, die nur ein paar Tage anhalten oder aber auch sich über einen längeren Zeitraum erstrecken können.
  • Weiterhin gibt es saisonal abhängige Depressionen, die zu bestimmten Jahreszeiten immer wieder auftreten.

 

Die medikamentöse Behandlung der Depression

erfolgt in der Regel mit Antidepressiva. Diese Medikamente machen im Gegensatz zu den Tranquilizern nicht abhängig und ist sehr wirksam. Sie hat allerdings den Nachteil, dass sie mindestens zwei Wochen benötigt bis ihre Wirkung eintritt. Zur Überbrückung können für diese Zeit Tranquilizer eingesetzt werden.

Es gibt zwei große Medikamentengruppen der Antidepressiva: zum einen die Gruppe der SSRI (Serotonin-Reuptake-Hemmer), hierzu gehören Fluxetin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram, Escitalopram usw. Diese Medikamente haben als Nebenwirkung zu Beginn innere Unruhe, Übelkeit und Durchfälle. In den meisten Fällen verschwinden diese Symptome nach ein paar Tagen, aber deshalb sollte die Medikation vorsichtig dosiert und erst langsam gesteigert werden.
Die andere Substanzgruppe sind die älteren TZA (trizyklische Antidepressiva). Hierzu gehören z. B. Doxepin, Amitryptilin, Clomipramin etc. Als Nebenwirkungen können hier Mundtrockenheit, Schwindel, Gewichtszunahme und Verstopfung auftreten. Es gibt noch Antidepressiva, die sowohl den Noradrenalin - wie auch den Serotoninrezeptor beeinflussen.

Ein anders Wirkprinzip hat Bupropion, das den Dopaminspiegel hochreguliert. Dieses Medikament wirkt oft bei ADHS sehr gut.

Es gibt noch Antidepressiva, die beruhigen und schlafanstoßend wirken. Das sind z. B. Mirtazepin oder Trazodon.

Zur Erklärung der Wirkweise

der Antidepressiva lässt sich ausführen, dass sie bei Depression den Serotoninspiegel und Noradrenalinspiegel hochregulieren. Das sind ebenfalls wie Dopamin Gehirnhormone und man kann Serotonin auch als das Hormon bezeichnen, das Glück produziert. Sicherlich ist das Modell zu einfach und wir wissen heute, dass es bei der Depressionsentstehung verschiedene Fakten eine Rolle spielen. Wir verstehen noch nicht viel von den komplexen Verschaltungen unserer Gehirnhormone. Es gibt aber eine gute Datengrundlage, die belegt, dass bei mittelschweren und schweren Depressionen Antidepressiva hilfreich sind. Natürlich sollte diese immer auch psychotherapeutisch begleitet werden.

Viele Menschen haben Angst vor Psychopharmaka. Es ist Aufgabe des Arztes die Wirkung und Nebenwirkung den Betroffenen genau zu erklären. Bei schweren Depressionen sollte unbedingt eine medikamentöse Therapie angefangen werden. Es ist keinesfalls so, dass bei einer Nichtbehandlung einer Depression nichts passiert. Wir wissen heute, dass das Immunsystem auch durch eine Depression beeinträchtigt wird und dass das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden deutlich erhöht ist, weil Depression ein purer Psychostress ist.

Bei wiederkehrenden Depressionen ist eine Rückfallprophylaxe mit Lithium oder Antiepileptika zu erwägen, weil diese das erneute Auftreten von depressiven Schüben deutlich reduzieren. Es gibt auch noch die Möglichkeit einer Lichttherapie bei saisonal abhängigen Depressionen. In Einzelfällen kann eine Schlafentzugstherapie oder auch eine Elektrokrampftherapie sinnvoll sein.

Was hilft bei einer Depression

  • Sich die Depression eingestehen und mit Vertrauten darüber reden, statt dieses Thema zu tabuisieren.
  • Die Erkrankung akzeptieren und sich nicht deshalb Vorwürfe und Schuldgefühle machen.
  • Liebevoll mit sich selbst umgehen und sich eingestehen, dass man im Moment nicht so leistungsfähig ist, als man das von sich gewöhnt ist. Man hat immer die Wahl: Man kann sich für den eigenen aktuellen Zustand verdammen und fertigmachen oder aber ihn annehmen und schauen, wie man nun am besten damit umgeht.
  • Versuchen, negative Gedanken zu identifizieren und diese in positive umzuwandeln.
  • Hierzu gehört auch, dass man zumindest kleine Dinge tut, die einem noch ein wenig erfreuen und dass man sich entlastet und Hilfe von anderen annimmt.
  • Es ist auch immer wieder eine philosophische Frage: „Wer bin ich, wenn ich nichts leiste?“ und darf ich mir das auch einmal erlauben ohne meinen Wert als Mensch in Frage stellen zu müssen. Gerade Krisen sind immer wieder Chancen etwas im Leben dazu zu lernen. Man kann an Krisen zerbrechen oder gereift und weiser daraus hervorgehen. Man hat immer die Wahl….
  • Zu erwähnen ist noch, dass AD(H)S-Betroffene häufiger eine leichte Form der Depression haben, einen so genannten AD(H)S-Blues. Ihnen entgleist wegen Kleinigkeiten die Stimmung und der gesamte Weltschmerz ergießt sich auf einmal über sie. Auch hier hilft das Wissen, dass es diesen Zustand gibt und dass er wieder vorbeigeht. Man kann auch immer wieder mit Humor arbeiten: „Nimm dich nicht so wichtig, jammere dich nicht in den Vordergrund und versuche dich abzulenken und deinen Scheinwerfer auf etwas Erfreulicheres zu lenken.
  • Grundsätzlich gilt auch immer wieder der Satz: „Handeln statt grübeln. Das bedeutet, dass es viel besser ist etwas und sei es noch so einfach und banal wie z. B. Geschirrspülen oder zu telefonieren, besser ist, als weiter über das Elend in dieser Welt zu grübeln.
  • Es ist absolut zu empfehlen sich fachliche Hilfe zu holen und einen Arzt aufsuchen, der sich mit diesem Krankheitsbild auskennt und der hierfür Verständnis aufbringt und Zusammenhänge erklären kann.
  • Es ist wichtig zu wissen, dass der Zustand der Depression ein vorübergehender ist und dass er ganz bestimmt vorbeigeht. Allerdings braucht es Geduld und Zeit und eventuelle die regelmäßige Einnahme von Medikamenten und einer Psychotherapie.
  • Es ist sinnvoll sich in Erinnerung zu rufen, was man bisher in seinem Leben alles zu leisten vermochte und es ist sicher, dass man an diesen Erfahrungen wieder anknüpfen kann.
  • Man muss lernen mit Katastrophenerwartungen und negativen Gedanken umzugehen und sich immer wieder verdeutlichen, dass man im Moment nur in ganz kleinen Schritten seine Ziele erreichen kann. Man muss sich auch für diese kleinen Schritte loben, statt sich an dem früheren Leistungsstand zu messen. (Depression ist wie ein seelischer Gipsfuß, weil die Seele im übertragenden Sinne humpelt und verletzt wurde und man kann mit diesem Gipsfuß keinen Hundertmeterlauf machen. Wenn man sich selbst gut pflegt und auf sich aufpasst, vorsichtig humpelt und langsam wieder trainiert, wird man wieder zu der alten Leistungsfähigkeit zurückkehren.)
  • Das Leben ist leider kein Wunschkonzert und so hält es auch Abgründe bereit, die es zu bewältigen gilt. Statt der quälenden Frage: „Warum habe ich gerade diese Krankheit?, sollte man sich besser damit beschäftigen, wie man mit dieser depressiven Krise am besten umgeht.
  • Man kann sich auch hier immer wieder klarmachen, dass man im Leben das findet, was man sucht. Ist man nur mit dem Negativen beschäftigt, so wird man es im Leben ständig finden, weil sich der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit fast automatisch darauf einstellt. Man kann aber auch bewusst versuchen den Scheinwerfer auf positives zu richten und lernen sich auch an kleinen Dingen und Fortschritten zu freuen. Das Glas ist immer halbvoll oder halbleer. Es ist das gleiche Glas, aber man kann die Leere oder die Fülle betrachten und je nachdem für welchen Teil man sich entscheidet, wird man sich anders fühlen ... voll oder leer!
  • In der Akutphase der Depression ist es zunächst sinnvoll den Betroffenen zu stärken und seine Ressourcen zu aktivieren statt in die Psychotherapie einzusteigen. Nicht selten zeigt sich nach dem Ansprechen der Antidepressiva doch eine deutliche Entlastung und die aktuellen Lebensprobleme werden weniger gravierend erlebt.
  • Depressive profitieren häufig von Selbsthilfegruppen, weil sie es als hilfreich erleben, dass andere Menschen, die sie als kompetent und leistungsfähig erleben auch von Depressionen betroffen sind.
  • In der Stabilisierungsphase gilt es dann zu klären welches psychotherapeutische Angebot der Depressive noch benötigt. Hier ist ein individuelles Angebot sinnvoller als standardmäßig jeden Patienten entweder nur mit Medikamenten oder aber mit Psychotherapie einmal pro Woche zu behandeln.
  • Ein differenziertes psychotherapeutisches Angebot reicht von stützender Psychotherapie, Krisenintervention, Aktivierung der Eigeninitiative wie Selbsthilfegruppen, Psychoedukation, konfliktzentrierte Kurzzeittherapie bis hin zu Langzeittherapie (Verhaltenstherapie, systematische Therapie, tiefenpsychologisch fundiert oder analytische Psychotherapie). Auch Gruppentherapien sind bei depressiven Patienten sehr sinnvoll. Hier kommen z. B. Trainingsmodule für Depressionen, in denen spezielle Psychotherapietechniken vermittelt werden können, oder aber auch gruppendynamische Therapien, die besonders bei Selbstwertproblemen, Ängsten und sozialen Phobien zum Einsatz kommen in Frage. Depressive profitieren davon, dass sie aus ihrer Selbstisolation herauskommen, lernen sich mitzuteilen und erleben wie andere mit ihren Problemen umgehen, was eine große Entlastung darstellt. Geteiltes Leid ist halbes Leid und es ist oft einfacher gemeinsam Problemlösestrategien zu erlernen. Es ist sehr tröstlich, in der Gruppe Unterstützung und Anteilnahme zu erfahren. Schwerpunkte der antidepressiven Psychotherapie sollte ein Wiederaufbau des Selbstwertgefühls sein, sowie eine aktive Auseinandersetzung mit den belastenden Konflikten, der Umgang mit depressiven Symptomen und eine positive Zukunftsgestaltung. Der Patient muss evtl. auch lernen seine eigenen Grenzen zu akzeptieren, wieder neuen Sinn im Leben zu finden, und eine gesunde Lebensplanung anzustreben.
  • Die Nachbehandlung und Rückfallprophylaxe ist auch sehr wichtig. So sollten die Medikamente mindestens 6-9 Monate lang regelmäßig eingenommen werden. Der Depressive sollte Frühwarnzeichen einer erneuten Depression kennen und ggf. einen Rückfallplan oder Notfallplan erarbeiten, wen z. B. er in diesem Falle kontaktieren sollte und was er am besten dann tun kann. Treten depressive Schübe häufiger auf kann auch eine medikamentöse Rezidivprophylaxe notwendig sein.
  • Hilfreich ist es auch, wenn Betroffene Auslösesituationen einer erneuten Depression identifizieren und ggf. schon im Ansatz abwenden können. Je handlungskompetenter und mündiger ein Patient ist, desto weniger Angst wird er vor einem erneuten Rückfall entwickeln.
  • Wichtig ist es immer wieder zu erwähnen, dass jeder selbst auch eine Menge dafür tun kann um mit Depressionen besser umzugehen. Hierzu gehört es sich einen Arzt des Vertrauens zu suchen, eine innere Balance mit einer gesunden Lebensführung anzustreben, aktiv das Leben zu gestalten, sich Ziele zu setzen, eigene Kraftquellen finden und sinnvollen Beschäftigungen nachzugehen. Betroffene können lernen mehr auf ihre Bedürfnisse und Grenzen zu achten und lernen sich selbst immer wieder kleine tägliche „Highlights“ zu organisieren, die das Leben bereichern. Dazu gehört auch ein guter Freundeskreis, Sport, ausreichende Bewegung und die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins und Selbstzufriedenheit.  … wie eben bei AD(H)S auch!

 

Es gibt noch seelische Erkrankungen, die bei AD(H)S gehäuft auftreten dazu gehören

Angst

Diese tritt häufig auch mit Depression zusammen auf. Es gibt darüber hinaus eine generalisierte Angststörung, was bedeutet, dass die Betroffenen ständig von Ängsten überflutet werden und dauernd in Katastrophenerwartungen leben, was jetzt an Schrecklichem in ihrem Leben passieren könnte. Weiterhin gibt es Panikattacken, die plötzlich wie aus heiterem Himmel entstehen und von heftigen körperlichen Reaktionen begleitet sind: Wie schnellen Herzschlag, Beklemmungsgefühle, Schwindel, Luftnot usw. Weiterhin gibt es noch die Phobien, die auftreten, wenn ein angstmachendes Objekt z. B. eine Spinne wahrgenommen wird. Auch hierdurch können sich dann Panikattacken entwickeln. Die Behandlung der Angstzustände gleicht in großen Teilen der Behandlung der Depression, weil genauso Psychotherapie, hier allerdings vorwiegend die Verhaltenstherapie, zum Einsatz kommen und ebenfalls die gesamte Bandbreite der Antidepressiva. Angstpatienten sollten aber in jedem Falle über eine Notfallmedikation verfügen wie Tavor Expidet, die sie bei Auftreten einer Panikattacke einnehmen können. Diese Medikamente sind im Notfall (bitte nicht als Dauerbehandlung, wegen der Suchtgefahr) sehr wirksam und helfen den Betroffenen sich aus dem unerträglichen Zustand der Panik, Ohnmacht und des Ausgeliefertseins zu befreien.

AD(H)S-Betroffene berichten auch öfter über das Auftreten von Minipaniken, die sie befallen, wenn etwas nicht so klappt, wie sie sich das vorgestellt haben. Hier hilft es zu lernen diese Minipaniken zu akzeptieren, um sie zu wissen, sich selbst zu beruhigen und den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit auf etwas Anderes zu richten um sich damit abzulenken.

AD(H)S und Zwang

Dies erscheint zunächst als Widerspruch, weil AD(H)S-Betroffene doch überhaupt nicht zwanghaft, ordentlich und übergenau ist. Ein Teil der AD(H)S-Betroffenen scheint jedoch auch in dieses Extrem zu gehen und es ist auch hier noch nicht so klar, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Sicherlich spielen hier auch wieder erbliche Veranlagungen eine Rolle, aber man kann diese Zwanghaftigkeit auch als eine Art Überkompensation auffassen, die Betroffene als Strategie gegen Chaos und Vergesslichkeit anwenden. Diese ist ja grundsätzlich nicht falsch, aber eben wieder im anderen Extrem und so auch nicht sehr lebenstauglich. Zwanghafte AD(H)S-Betroffene werden durch ihre Zwänge sehr langsam und umständlich. Nach außen gelingt es ihnen dann meist die Ordnung aufrecht zu erhalten, aber oft sieht es dann schon im Kleiderschrank wieder ganz anders aus. Die Zwangsgedanken und Zwangshandlungen können auch sehr quälend erlebt werden, weil sie so viel Zeit kosten und auch als sinnlos erlebt werden wie z. B. einen Waschzwang mit dem man sich 50-mal am Tag die Hände waschen muss. Bei ausgeprägteren Zwangssymptomen sollte man auch einen Facharzt aufsuchen, weil diese ebenfalls gut mit den Antidepressiva Clomipramin und Fluoxetin usw. behandelt werden können. Auch hier kann eine Psychotherapie hilfreich sein.

ADHS und Essstörung

Alle Formen der Essstörung (Bulimie und Esssucht) treten bei AD(H)S gehäuft auf, außer der Magersucht. Es zeigt sich in neuen wissenschaftlichen Untersuchen, dass Essstörungen doppelt bis dreifach erhöht sind. Man erkennt erst jetzt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Essgestörten ein unerkanntes AD(H)S haben und bei ihnen eine Impulskontrollstörung vorliegt. Bei der Behandlung von Essstörungen und gleichzeitig bestehenden AD(H)S muss das AD(H)S störungsspezifisch mitbehandelt werden, weil die Behandlungserfolge dann deutlich besser sind.

ADHS und posttraumatische Belastungsstörungen

Auch Traumatisierungen treten bei AD(H)S deutlich häufiger auf. Dies liegt z. T. an den AD(H)S-Familien, in denen Kinder durch die Impulsivität, Aggressionen und nicht selten auch der Suchtproblematik der Eltern erheblichen seelischen, aber auch körperlichen Verletzungen ausgesetzt sein können. Diese Traumatisierungen können so erheblich sein, dass sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Wir wissen aber auch, dass insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene häufig ein Risikoverhalten zeigen, indem sie die Gefahren unterschätzen und gefährliche Situationen geradezu herausfordern. So können sie häufiger Opfer von Verbrechen werden, wenn sie leichtsinnig sind, eventuell zu viel Alkohol trinken und dann Situationen nicht mehr richtig einschätzen können und weil es ihnen sowieso schwer fällt zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Insbesondere werden Personen häufiger vergewaltigt, wenn sie naiv und gutgläubig sind.

AD(H)S und Somatisierungsstörungen

AD(H)S stellt einen Stressfaktor für den Körper und die Seele dar und der AD(H)S-Betroffene strapaziert ihn zusätzlich durch extreme Verhaltensweisen und ungesunde Lebenshaltungen. Denken wir an das HB-Männchen, dass ständig cholerisch ausrastet, so ist es sehr naheliegend, dass dies Person irgendwann einmal einen Bluthochdruck entwickeln könnte, weil er ständig unter Druck steht. Wenn man sich dauernd ärgert oder aber lebenslang das Gefühl hat zu kurz gekommen zu sein, so wird das nicht spurlos an einem vorübergehen. Auch Erkrankungen die erst einmal gar nichts mit AD(H)S zu tun haben, lassen sich häufig bei AD(H)S schwer einstellen. Ein Diabetiker, der dauernde Stimmungsschwankungen hat, wird viel mehr Probleme damit haben seinen Blutzuckerspiegel zu stabilisieren. In Einzelfällen konnte man beobachten, dass sich der Verlauf einer Erkrankung deutlich verbessert, wenn das AD(H)S z. B. medikamentös eingestellt wurde und der Betroffene mehr Ruhe, Gelassenheit und Frieden mit sich fand. Körper und Seele sind eben nicht getrennt, sondern eine zusammenhängende Einheit.

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